Die Akute Myeloische Leukämie (AML) ist eine bösartige Erkrankung, die ihren Ausgang von unreifen Vorstufen der roten Blutkörperchen, Blutplättchen und einem Teil der weißen Blutkörperchen nimmt. Die AML ist die häufigste Form akuter Leukämien bei Erwachsenen. Dank der intensiven Forschungsarbeit der letzten Jahrzehnte haben sich die Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen deutlich verbessert. Die Diagnose einer AML sollte daher nicht zu Hoffnungslosigkeit führen. Eine früher unheilbare Erkrankung ist in vielen Fällen heilbar geworden!
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems (Blutkrebs), bei der eine frühe Vorstufe einer myeloischen Zelle entartet und sich unkontrolliert vermehrt. Zu den myeloischen Zellen gehören die roten Blutkörperchen, Blutplättchen und ein Teil der weißen Blutkörperchen. Bei gesunden Menschen ist die Vermehrung und Erneuerung der Blutzellen strikt reguliert. Bei der AML ist dieser Prozess außer Kontrolle geraten:
Durch die Veränderungen des Erbmaterials beginnt die betroffene Zelle, sich ungebremst zu teilen und zu vermehren, ohne sich jedoch zu normalen, funktionstüchtigen Blutkörperchen zu entwickeln. Die entstehenden Zellen werden als myeloische Blasten bezeichnet. Sie breiten sich rasch im Knochenmark aus und behindern dort die Bildung gesunder Blutkörperchen. Über das Blut können die Blasten schließlich im Körper verteilt werden und andere Organe befallen und schädigen.
Ursachen und Häufigkeit
Die akute myeloische Leukämie ist keine erbliche Krankheit und ist - ebenso wie andere Krebsformen - weder ansteckend noch kann sie auf andere Menschen übertragen werden. Ursache der AML sind bösartige, genetische Veränderungen im Knochenmark, die im Laufe des Lebens erworben werden. Als Risikofaktoren hierfür gelten ionisierende Strahlung und bestimmte chemische Substanzen. Auch einige Medikamente, die selbst zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt werden, können in seltenen Fällen noch Jahre später eine sogenannte sekundäre AML auslösen. Patienten mit verschiedenen Erkrankungen des Bluts oder Knochenmarks (z.B. mit einem myelodysplastischen Syndrom) oder genetisch bedingten Erkrankungen wie dem Down-Syndrom haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko, an einer AML zu erkranken. In den allermeisten Fällen bleibt es jedoch völlig unklar, was der Auslöser der Krankheit gewesen ist.
Die akute myeloische Leukämie ist mit jährlich 3,5 Neudiagnosen pro 100.000 Einwohnern eine seltene Erkrankung, aber die häufigste Form akuter Leukämien in Deutschland. Männer sind etwas öfter betroffen als Frauen. Im Gegensatz zur ALL, die vorwiegend bei Kindern auftritt, ist AML eine Erkrankung der älteren Menschen - etwa die Hälfte der Patienten ist über 70 Jahre.
Symptome
Die Symptome der AML entwickeln sich meist innerhalb weniger Wochen. Sie entstehen zum einen durch den Mangel an normalen Blutzellen und zum anderen durch den Befall von Organe mit myeloischen Blasten.
sehr häufige Symptome
- Blutarmut (Anämie, Verminderung der roten Blutkörperchen) führt zu Blässe, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, verminderter Leistungsfähigkeit, Kurzatmigkeit, allgemeiner Schwäche und Unwohlsein
- Fieber und/oder erhöhte Infektanfälligkeit durch Verminderung der weißen Blutkörperchen (Leukopenie)
- Bauchschmerzen und Appetitlosigkeit durch Vergrößerung (Organbefall) von Milz und/oder Leber
- Vermehrung der Leukozyten (Leukozytose) durch die Überproduktion lymphatischer Blasten
häufige Symptome
- Verminderung der Thrombozyten (Thrombopenie) verursacht Blutungen (kleine punktförmige Hautblutungen (Petechien), blaue Flecken, Nasenbluten, verlängerte Blutungen z.B. nach Zahnarztbesuch oder nach Verletzungen, verlängerte Regelblutungen bei Frauen, selten auch Hirnblutungen)
- Lymphknotenschwellungen am Hals, in den Achselhöhlen oder in der Leiste
- Gelenk- und Knochenschmerzen durch die Ausbreitung der Blasten in den Knochen
seltene Symptome
- Befall des Gehirns, des Rückenmarks oder der Hirnhaut mit neurologische Veränderungen wie Kopfschmerzen, Sehstörungen, Erbrechen oder Nervenlähmungen
- Hautveränderungen und Chlorome (Einlagerungen von Blasten z.B. in der Haut oder im Knochenmark)
- Atemnot
Manche Patienten haben kaum Beschwerden und die Leukämie wird zufällig während einer routinemäßigen Blutuntersuchung entdeckt.
Diagnostik der AML
Bei Verdacht auf Leukämie sind umfangreiche Untersuchungen des Blutes und Knochenmarks notwendig, um zunächst die Diagnose zu bestätigen und im Weiteren die Art Leukämie festzustellen. Mit Hilfe sogenannter bildgebender Verfahren wird darüber hinaus das Ausmaß der Erkrankung bestimmt.
Wenn der Hausarzt/Internist aufgrund der Krankheitsgeschichte und der körperlichen Untersuchungen Hinweise auf eine akute Leukämie findet, wird er zunächst das Blut untersuchen. Bestätigt sich dabei der Verdacht auf eine Leukämie, weil z.B. unreife Zellen im Blut gefunden werden, eine Anämie oder Thrombopenie vorliegt, muss die Diagnose zusätzlich durch die Analyse des Knochenmarks gesichert werden. Eine solche Untersuchung wird an einem spezialisierten Krankenhaus von einem Facharzt für Blut- und Krebserkrankungen (Hämatologe/Onkologe) durchgeführt. Er entnimmt mit einer Spritze unter örtlicher Betäubung Knochenmark aus dem Hüftknochen oder Brustbein (Knochenmarkpunktion). Dieser kurze, ambulante Eingriff kann für den Patienten etwas unangenehm sein, da es einige Minuten dauert, bis das Knochenmark in die Spritze gelangt.
Die anschließenden Laboruntersuchungen des Knochenmarks umfassen die biologischen Eigenschaften, äußeren Zellmerkmale und genetischen Veränderungen der befallenen Zellen. Mit Hilfe der Analyse kann neben der Art der Leukämie auch die genaue Unterform der Erkrankung bestimmt werden. Da sich die Unterformen der akuten myeloischen Leukämie deutlich in ihrem Krankheitsverlauf, der Prognose und dem Ansprechen auf verschiedene Therapie unterscheiden, ist die eingehende Untersuchung des Knochenmarks entscheidend, um einen geeigneten Plan für die Behandlung zu entwickeln.
Wenn eine AML festgestellt wird, sind je nach Einzelfall zusätzliche Untersuchungen erforderlich, um den Befall anderer Organe des Körpers mit Blasten ausschließen zu können. Hierzu gehören das Röntgen des Brustkorbs, Computertomographie sowie die Ultraschalluntersuchung des Bauches und Herzens. In Ausnahmefällen wird aus der Rückenmarksflüssigkeit eine Probe entnommen (Lumbalpunktion), um festzustellen, ob ein Leukämiebefall des Gehirns vorliegt.
Im weiteren Verlauf nach Therapiebeginn sind immer wieder Knochenmarkpunktionen und andere Kontrolluntersuchungen notwendig. So kann z.B. mit Hilfe der MRD-Diagnostik überprüft werden, ob sich die Leukämie vollständig zurückgebildet hat (Remission).
Einteilung der AML
Die akute myeloische Leukämie ist keine einheitliche Erkrankung, sondern vielmehr eine Gruppe verschiedener Unterformen, die sich anhand ihrer biologischen Eigenschaften, äußeren Zellmerkmale und genetischen Veränderungen gegeneinander abgrenzen lassen. Die Zuordnung zu einer bestimmten Unterform spielt eine wichtige Rolle für die Therapieentscheidung, da die verschiedenen Unterformen in Bezug auf den Krankheitsverlauf und die Heilungschancen (Prognose) voneinander abweichen und gegenüber einer Chemotherapie unterschiedlich empfindlich sind. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen primärer und sekundärer AML: Tritt die AML unabhängig und ohne vorhergehende Knochenmark- oder Krebserkrankungen auf, so spricht man von einer primären oder de novo AML. Eine sekundäre AML entwickelt sich aus einer anderen Knochenmarkerkrankung (z.B. einem myelodysplastischen Syndrom) oder entsteht als Folge einer früheren Chemo- oder Strahlentherapie. Da die sekundäre AML in der Regel mit mehreren genetischen Veränderungen einhergeht, hat sie eine schlechtere Prognose als die primäre AML.
Die Einteilung der AML erfolgt heutzutage zumeist anhand der WHO-Klassifikation. Diese verbindet die ältere FAB-Klassifikation, bei der die Blasten nach ihren äußeren, mikroskopisch sichtbaren Merkmalen in acht Untergruppen (M0-M7) gegliedert werden, mit genetischen Besonderheiten der leukämischen Zellen. Die äußeren Merkmale sowie die zugrundeliegenden genetischen Veränderungen können mittels vergleichender Laboruntersuchungen wie Mikroskopie, Zytochemie, Immunphänotypisierung, Molekuargenetik, Zytogenetik oder in situ Hybridisierung bestimmt werden.
Akute Promyelozytenleukämie (APL)
Die akute Promyelozytenleukämie (APL) ist eine seltene Unterform der AML, die bei etwa 5 % der AML-Patienten diagnostiziert wird. Bei dieser Erkrankung kann eine besondere genetische Veränderung nachgewiesen werden, die als Translokation t(15;17) bezeichnet wird. Sie führt zur Bildung des fehlerhaften Eiweißes PML-RARA, das ursächlich an der Entstehung der Erkrankung beteiligt ist. Die APL nimmt in Bezug auf den Krankheitsverlauf, die Prognose und die Behandlung eine Sonderrolle ein. Die Erkrankung tritt vor allem bei jüngeren Patienten auf und ist mit einer guten Prognose verbunden: Durch die Kombination von Chemotherapie mit All-trans-Retinsäure (ATRA), welche die Leukämiezellen zur Ausreifung anregt, können heutzutage mehr als 75 % der Patienten geheilt werden. Vorraussetzung ist allerdings die Behandlung in einem spezialisierten Leukämiezentrum, denn die APL verursacht häufig eine Störung der Blutgerinnung und geht daher mit einer hohen Rate an Blutungskomplikationen einher.
Behandlung der akuten myeloischen Leukämie
AML ist eine schwere Erkrankung, die unbehandelt innerhalb weniger Wochen zum Tode führt. Deshalb ist es außerordentlich wichtig, dass nach der Diagnose umgehend mit einer Therapie begonnen wird. Der wichtigste Bestandteil der Behandlung ist die Chemotherapie mit einer begleitenden Therapie zur Behandlung der Nebenwirkungen. Dazu kann im Einzelfall eine Knochenmarktransplantation kommen. Die Strahlentherapie spielt bei der AML eine Untergerdnete Rolle. Alle Bestandteile der Therapie dienen dazu, die Leukämiezellen überall im Körper möglichst vollständig abzutöten, damit das Knochenmark wieder seine ursprüngliche Funktion - die Blutbildung - aufnehmen kann.
Die Behandlung einer AML sollte unbedingt an einer Klinik durchgeführt werden, die über Erfahrung in der Behandlung von Leukämien - speziell der AML - verfügt. Die Klinik sollte Zugang zum neuesten Stand der Forschung haben und notwendige Spezialuntersuchungen durchführen können. Da die Behandlung langwierig und belastend ist, sollten sich Patienten und deren Angehörige umfassend über den geplanten Ablauf informieren. Der behandelnde Arzt wird ausführlich mit dem Patienten sprechen und ihn über alle Behandlungsmöglichkeiten informieren.
Chemotherapie
Bei der Chemotherapie erhält ein Patient Medikamente, die Zytostatika genannt werden und gezielt das Wachstum von Leukämiezellen hemmen. Da ein einziges Medikament in der Regel nicht ausreicht, um alle Blasten zu vernichten, kombiniert man mehrere Medikamente mit verschiedenartigen Wirkweisen. Sie werden als Infusion, Spritze oder in Form von Tabletten gegeben. Die Chemotherapie gliedert sich in mehrere Zyklen, die durch Pausen (Intervalle) voneinander getrennt sind, in denen sich gesunde Zellen regenerieren können. Zur Beurteilung des Therapieerfolges werden in regelmäßigen Abständen das Knochenmark und andere befallene Regionen kontrolliert.
Stammzelltransplantation
Eine weitere Möglichkeit der Behandlung besteht in der Stammzelltransplantation. Ziel dieser Therapie ist es, das erkrankte Knochenmark durch gesundes zu ersetzen. Bei der Stammzelltransplantation werden dem Patienten aufgereinigte Blutstammzellen eines passenden Spenders (allogen) oder seltener des Patienten selbst (autolog) mittels Infusion verabreicht. Für eine erfolgreiche Therapie müssen zuvor alle Leukämiezellen abgetötet werden. Dies wird durch eine starke Chemotherapie und eine Bestrahlung erreicht, die neben den Blasten auch die gesunden Zellen im Knochenmark zerstört. Da es sich um eine belastende und risikoreiche Therapie handelt, muss der Patient im Hinblick auf Allgemeinzustand und Alter für eine Stammzelltransplantation in Frage kommen. Eine Stammzelltransplantation wird meist nur dann durchgeführt, wenn aufgrund der Merkmale der Leukämiezellen davon ausgegangen werden muss, dass ein hohes Risiko eines Rückfalls (Rezidiv) besteht oder wenn die Chemotherapie keine ausreichenden Behandlungserfolg gebracht hat.
Therapiestudien
Die Behandlung von AML-Patienten sollte nach Möglichkeit im Rahmen von Therapiestudien erfolgen. Hierbei erhält der Patient Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und wird mit innovativen Medikamenten und entsprechend aktueller Behandlungsstrategien therapiert. Die Teilnahme an einer Studie bedeutet nicht, dass die Anwendung der eingesetzten Medikamente experimentell ist. Vielmehr ist es das Ziel, die Behandlungsstrategien der AML in Zukunft zu verbessern. Die Entscheidung darüber, welche Studie für einen Patienten in Frage kommt, muss zusammen mit dem behandelnden Arzt intensiv besprochen werden. Dabei spielen verschiedene Kriterien z.B. Erkrankungsmerkmale, Erkrankungsphase, Vorbehandlung, Alter und Risikofaktoren eine Rolle. Die letzliche Entscheidung für eine Studienteilnahme trifft aber immer der Patient selbst. In Deutschland beteiligen sich zahlreiche Kliniken an den Studien der deutschen Studiengruppen für die AML des Erwachsenen. Die aktuellen Studien finden Sie im Deutschen Leukämie-Studienregister.
Behandlungsmöglichkeiten bei einem Rückfall
Bei einem Rückfall der AML wird zunächst erneut eine Chemotherapie durchgeführt. Bei späten Rückfällen kann die Induktionstherapie wiederholt werden, um erneut eine komplette Zerstörung der Leukämiezellen (Remission) zu erreichen. Bei frühen Rückfällen oder wenn die Erkrankung nicht auf die Therapie anspricht (Therapieversagen), werden verschiedene Möglichkeiten z.B. mit neuen Medikamenten im Rahmen von Therapiestudien erforscht. Hier ist es wichtig, dass die behandelnden Ärzte über alle aktuell verfügbaren Therapiemöglichkeiten informiert sind. Ziel ist es, eine komplette Remission zu erreichen. Häufig wird dann, wenn Alter und Allgemeinzustand es erlauben und wenn ein Spender gefunden werden kann, eine Stammzelltransplantation durchgeführt.
Nachsorge
Die Zahl der Heilungen hat bei der AML in den vergangenen Jahrzehnten ständig zugenommen. Regelmäßige Nachuntersuchungen sind allerdings erforderlich. Sie umfassen eine allgemeine körperliche Untersuchung sowie Kontrollen von Blut und Knochenmark. Dabei geht es darum, Anzeichen für einen Rückfall oder Spätfolgen der Therapie frühzeitig zu entdecken. Mit dem Abstand von der Diagnose und dem Therapieende verlängern sich dann die Intervalle zwischen den Untersuchungen. Der behandelnde Arzt berät auch über die Möglichkeit einer Rehabilitationsmaßnahme (Reha). Sie wird in der Regel von den Krankenkassen finanziert und bietet eine gute Übergangsmöglichkeit, um wieder in ein „normales“ Leben zurückzufinden.
Quelle:
https://www.kompetenznetz-leukaemie.de