Liebe Freunde, liebe Besucher,
am 31. Juli 2008 besuchten zwei Gruppenmitglieder, Manuela und ich, Dr. Gerhard Behre und Dr. Thomas Weber im Universitätsklinikum (UKH) Halle (S.).
Hier in Halle (S.) finanzierte die Deutsche Krebshilfe eine der modernsten Stammzelltransplantationskliniken Deutschlands.
Seit Mai 2005 werden in Halle (S.) im Landeszentrum für Zell- und Gentherapie (LZG) autologe und allogene KMT durchgeführt. Zu diesem Zweck haben sich Pflege und Ärzte zu einem „therapeutischen Team" zusammengeschlossen. In diesem Team steht der Patient mit allen Aspekten seiner Erkrankung im Mittelpunkt. Die Grenzen zwischen den Berufsgruppen treten in den Hintergrund. Die Führung des Patienten durch seine Krankheitsphase geschieht durch feststehende und Bezugsperson bleibende Mitarbeiter (Bereichspflege und Bereichsärzteschaft). So wird eine kontinuierlich hohe Qualität der medizinischen Versorgung und Pflege gewährleistet. Zu dem Team gehören eine KMT-Koordinatorin, die gerade in der Fremdspendersuche unschätzbare Dienste leistet und ein Laborbereich, um bessere Behandlungsmethoden zu entwickeln.
Knochenmarktransplantationen (KMT) bieten eine Heilungschance für verschiedene Krebserkrankungen wie z.B. Leukämien und Lymphome. In der Knochenmarktransplantation verschmelzen zwei Konzepte zur Therapie von Krebs:
1. durch die Transplantation peripherer Blutstammzellen oder von Stammzellen aus dem Knochenmark ist es möglich, Chemotherapie oder Bestrahlung in extrem hohen Dosen zur Bekämpfung der Tumorerkrankung einzusetzen (Hochdosiskonzept). Die eingesetzten Stammzellen sind entweder eigene Stammzellen des Patienten (autologe Stammzelltransplantation); sie können jedoch auch von einem freiwilligen verwandten oder unverwandten Fremdspender (allogene Stammzelltransplantation) stammen.
2. die allogene KMT bietet darüber hinaus Möglichkeiten einer Immuntherapie gegen Krebs (Immuntherapiekonzept). Für viele Menschen bedeutet eine KMT die einzige Hoffnung auf dauerhafte Gesundung und Heilung ihrer Erkrankung.
Dr. Gerhard Behre stand uns beiden zu einem Dialog Rede und Antwort. Einige wichtige Passagen:
Frage:
Herr Dr. Behre, Sie leiten sehr erfolgreich seit mehr als drei Jahren den Bereich Knochenmarktransplantation (die Stationen 11 und 12) der Klinik für Innere Medizin IV des UKH mit Sitz im LZG. Wie viele Transplantationen führen Sie und Ihr Team im Jahr durchschnittlich durch?
Unser Ziel ist es, jährlich 20 allogene und 80 autologe Transplantationen durchzuführen. Wie in den vergangenen Jahren werden wir diesen Vorsatz auch dieses Jahr wieder erfüllen.
Frage:
Wie viel Betten stehen für die kleinen bzw. erwachsenen Patienten auf den beiden Stationen zur Verfügung?
7 allogene und 10 autologe Betten für die Erwachsenen. Für die Kinder stehen 3 allogene und 10 autologe Betten zur Verfügung.
Frage:
Eine Transplantation ist immer mit einem längeren Krankenhausaufenthalt verbunden. Mit wie vielen Tagen durchschnittlich muss ein Patient rechnen?
Mit 60 Tagen, das ist ein sehr langer und aufwendiger Weg bis zur Heilung. Aber dieser schwierige Weg lohnt sich doch.
Frage:
Der Schwerpunkt in unserer Selbsthilfegruppe liegt bei der CLL. Einer Heilung dieser schwerwiegenden Erkrankung ist zurzeit nur durch eine Transplantation möglich. Hatten Sie diesbezüglich schon Erfahrungen hier auf Ihren Stationen?
Ja, wir haben bereits sehr viele CLL-Patienten transplantiert. Bei der CLL ist es so, dass es klare Kriterien gibt, wann man Patienten allogen transplantiert. Die CLL würde man nie sofort transplantieren. Man verabreicht zuerst Zytostatika, solange es schon Fludarabin gibt. Und wenn der Patient nicht mehr auf Fludarabin anspricht bzw. zytogenetische Veränderungen vorhanden sind, dann muss man allogen transplantieren. Bei einer CLL sollte man sich auch in einer Transplantationsambulanz vorstellen.
Frage:
Welche körperlichen Voraussetzungen muss ein Patient aufweisen, um tauglich für eine Transplantation zu sein?
Nach wie vor ist unsere Devise „Wer laufen kann, kann auch transplantiert werden". Aber wir hatten auch zwei Patienten im Rollstuhl mit einer Querschnittslähmung transplantiert. Ein Patient wurde allogen und der andere Betroffene autolog transplantiert. Beiden geht es gut und sie zählen, was die CLL angeht, als geheilt. Wer nicht laufen kann, heißt nicht gleich, dass eine Transplantation ausgeschlossen ist. Die Transplantationen werden mit der Zeit immer verträglicher, gerade auch durch die Minitransplantationen. Grundsätzlich kann jeder Patient transplantiert werden. Nur wenn man so krank ist, dass man nicht mehr laufen kann und sich bereits im Sterbeprozess befindet, sollte man nicht mehr transplantieren.
Frage:
Was bieten Sie Patienten an, um sich psychisch und physisch abzulenken?
Wir bekommen jetzt nach drei Jahren eine Psychologin. Bis jetzt hatten wir eine evangelische Pfarrerin und einen katholischen Pater, die sich auf dem Gebiet der Psychologie ständig weitergebildet hatten. Beide arbeiten ehrenamtlich bei uns. Manchmal reicht schon ein Gespräch aus, um sich zu stabilisieren. Viele Patienten lernen auch das Leben neu zu schätzen. Physisch treiben die Patienten Sport bei uns. Es gibt eine Sporttherapiegruppe. Wenn die Patienten das Zimmer nicht verlassen dürfen, stehen ihnen Ergometer und Handeln zur Verfügung. Sport ist schon wichtig, da passen wir auch gründlich auf.
Frage:
Wir kennen eine knapp 50-jährige CLL-Patientin. Das ist für diese Erkrankung noch sehr jung. Was raten Sie als Hämatologe, wo sollte Sie sich am Besten hinwenden?
Wer so jung ist und eine CLL hat, sollte sich bei mir vorstellen. Da muss man nachschauen, warum sich in solch einem jungen Alter schon eine CLL herauskristallisiert hat. Das ist sehr ungewöhnlich. Man muss überprüfen, was ist es für eine Zytogenetik bzw. welche Veränderung gibt es bei dieser Patientin. Sie ist sehr jung, und eine CLL ist eigentlich eine Alterserkrankung.
Frage:
Viele Ärzte, aber auch Patienten bezeichnen immer wieder den monoklonalen Antikörper als Wunderwaffe. Wie schätzen Sie die heutige Situation diesbezüglich ein?
Bei der CLL und auch bei den Lymphomen hat sich durch die Vielzahl der monoklonalen Antikörper die Überlebensrate verdoppelt. Das sind traumhafte Ergebnisse, die uns als Ärzteteam sehr stolz macht. Leider gilt das nicht für die Leukämien. Trotzdem kann man eine CLL und follikuläre Lymphome nur durch eine Transplantation heilen. Die Antikörper setzen wir auch in der Transplantation ein. Sie brachten einen riesen Fortschrift in der Krebsbehandlung.
Frage:
Werden Sie und Ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter von der Deutschen José Carreras Leukämie-Stiftung e.V. unterstützt?
Ja, für die Forschung gibt es Förderungen diesbezüglich. Darüber sind wir selbstverständlich sehr froh und dankbar.
Frage:
Welche Ziele verfolgen Sie als Onkologe / Hämatologe?
Mein persönliches Ziel ist es, in Zukunft wieder mehr Patienten zu behandeln. Es läuft medizinisch alles sehr gut, und wir können auf Erfolgsdaten verweisen. Ich möchte erreichen, dass wir noch mehr auf den einzelnen Menschen eingehen können. Es wäre ein paradischer Traum, viele schwerwiegende Erkrankungen ohne Transplantationen zu heilen. Noch sind es Illusionen. Ich wäre schon froh, wenn man viele Krebspatienten trösten, lindern und heilen könnte. Ich bin jetzt auf dem Weg, hier und jetzt zu leben, den Tag zu genießen und zu versuchen den einzelnen Patienten durchzubringen.
Nach unserem recht intensiven Gespräch mit Dr. Gerhard Behre zeigte uns Dr. Thomas Weber noch die Räumlichkeiten. U.a. wies er auf gute Voraussetzungen für eine optimale Behandlung hin. Diese sind:
-keimfreie und wohnliche Zimmer
-sterile Kost
-sehr gute Überwachungsmöglichkeiten
-alle Zimmer verfügen über ein Telefon und Fernsehen
-Internetzugang ist gewährleistet, damit der Patient mit der Außenwelt im Kontakt bleiben kann
-Ergometer im Zimmer
-Übernachtungsmöglichkeiten für die Angehörigen sind möglich, um ihren Kranken sehr nah zu sein
Fazit:
Dr. Gerhard Behre ist ein Onkologe, der sehr aufgeschlossen, lebensfroh und nachdenklich ist. Das ist in unseren Augen eine gesunde Mischung, die uns Patienten zugute kommt. Er spricht unheimlich lebendig und ist gegenüber Selbsthilfegruppen sehr aufgeschlossen. Wir freuen uns demnächst auf ein Wiedersehen. Dr. Thomas Weber hat eine Aussprache, die sehr beruhigend wirkt. Hier hatten wir das Gefühl, sich als Patient geborgen zu fühlen. Wir danken beiden Ärzten sehr herzlich, dass sie uns einen kleinen Einblick in ihre große Welt ermöglichten.
Einige Bilder findet Ihr in der Galerie.
Eure Simone