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Prof. Schmoll
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Lebenswende

Es war der 8. Mai 2013, als ich gegen Mittag vor dem Spiegel stand und eine Schwellung am Schlüsselbein sah. Sie war recht groß und ich erschrak.

Natürlich war der 8. Mai ein Mittwoch und mein Hausarzt nicht mehr in der Praxis. Der Donnerstag war Feiertag, am Freitag die Praxis geschlossen. Dann kam das Wochenende und erst am Montag, den 13. Mai, konnte ich zum Arzt. Die Ärztin sah die Schwellung und auf meine Frage, ob das die Schilddrüse sein kann, schüttelte sie nur den Kopf. „ Ich rufe jetzt in der Radiologie an und dann gehen Sie so schnell es geht zur CT“, sagte sie. Gesagt, getan. Schon am nächsten Vormittag konnte ich zur CT. Nach der Untersuchung rief mich der Radiologe zu sich. Er hatte ein ernstes Gesicht, als er mir eröffnete, was er gesehen hatte und wie er das einschätzte. „Ich vermute, Sie haben Lymphdrüsenkrebs“ Als ich blass wurde sagte er schnell: „Aber das ist heute gut behandelbar, nur ist es jetzt eine Fleißaufgabe, die sichere Diagnose zu stellen“. Ich hatte sehr viele große Lymphknoten.

Ich fuhr sofort wieder zur Hausärztin, die so was Ähnliches befürchtet hatte und sie wusste, dass ich am Boden zerstört war. Schon am nächsten Tag konnte ich zum Onkologen, der mich wieder sofort zum HNO-Arzt im gleichen Haus schickte. Eine Biopsie sollte gemacht werden, und zwar der gesamte Knoten sollte heraus, da er bedenklich nah an der Halsschlagader saß. Der HNO überwies mich in die Uniklinik, da er diese OP an der Schlagader nicht selbst machen wollte. Zwei lange Wochen später hatte ich den Termin in der Ambulanz der Uniklinik. Die Nadelbiopsie ergab, dass es bösartige Veränderungen waren und zwei Tage später musste ich in der Uniklinik einrücken. Der Knoten war beachtliche 5x10 cm groß und musste von der Halsschlagader abgeschält werden. Ein großer Schnitt am Übergang von Hals zu Schlüsselbein blieb. Der Schnellschnitt ergab, es ist Non Hodgkin. Aber die feingeweblichen und mikrobiologischen Untersuchungen dauerten etwa zwei Wochen. Dann stand die Diagnose fest: follikuläres B-Zell-Non Hodgkin-Lymphom, Grad 2 Stadium 3B. B deshalb, weil ich in den Monaten vor der Diagnose sehr schnell etwa 24 kg Gewicht verloren hatte. Ich muss sagen, darüber hatte ich mich gefreut, denn ich wollte ohnehin abnehmen und hatte in diesen Monaten auch etwas auf das Gewicht geachtet. Hätte ich geahnt, WARUM ich so viel abgenommen habe, wäre ich sicher früher zum Arzt.

Gut, es folgte noch die Knochenmarkpunktion beim Onkologen, ambulant. Aber schon vor dem Ergebnis (zum Glück negativ) begann der Onkologe mit einer Therapie: Bendamustin und Rituximab, die kombinierte Chemo/Antikörpertherapie. Alle vier Wochen bekam ich an zwei aufeinander folgenden Tagen eine Menge Chemie, und das sechs Monate lang. Mir ging es eigentlich ganz gut, nur war ich noch viel müder als vorher schon. Haare verlor ich nicht, was mir sehr gefiel. Nach drei Monaten, beim ersten Staging: ALLE verbliebenen Lymphknoten waren normal groß. Die Therapie hatte voll und schnell gewirkt. Mir fiel ein Stein vom Herzen und langsam keimte wieder Zuversicht auf. Die Knoten am Nierenstiel, hinter der Lunge, alle, alle.... Sie waren wieder so, wie sie sein sollen.

Nach Ablauf der sechs Monate schloss sich noch die Erhaltungstherapie mit Rituximab an, alle acht Wochen an einem Tag. - bis Ende 2015.

Ich bekam gegen Ende der Therapie aber Probleme mit immer wiederkehrenden Infektionen, schwerer Husten über Monate, so dass ich fast Erstickungsanfälle hatte. Nichts half, auch nicht die vielen Antibiotika, Hustenmittel. Die Nebenhöhlen waren auch ständig entzündet. Die Leukozyten waren irgendwo im Keller, meist waren sie zwischen 1,0 und 2,0. Das ging dann so bis Sommer 2016. Da hatte ich die Faxen dicke und nach Tipps von anderen Betroffenen, die ich in der Non-Hodgkin-Gruppe bei Facebook kennengelernt hatte, verlangte ich Immunglobuline. Seit ich die bekam war der Husten über Nacht fast weg, die Nebenhöhlen kaum noch entzündet. Es ging mir viel besser.

Bis Ende Dezember 2016 bekam ich jede Woche Immunglobuline, ab Januar 2017 nur noch einmal im Monat. Mal sehen, wie es weiter geht.

Jedenfalls bin ich seit Herbst 2013 in Vollremission und ich hoffe, dass das auch noch sehr lange so bleiben wird.

Mein Onkologe ist zuversichtlich, und ich habe Vertrauen zu ihm.

Non Hodgkin war ein Schock. Aber auch ein Fingerzeig, denn die Diagnose zeigte mir, dass ich in meinem Leben verschiedene Dinge ändern muss. Ich war immer dabei, habe im eigenen Weinbaubetrieb gearbeitet, habe ein großes Haus allein gemanagt, eine Ferienwohnung vermietet, eine Enkelin betreut, zwei Hunde im Haushalt, ging jagen, der große Garten.... Ich war immer unter Hochspannung, wollte allen alles recht machen. Nur Urlaub habe ich nie gemacht. Das ist jetzt anders. Drei- bis viermal im Jahr fahren wir in die Berge, wandern so gut es geht, ich fotografiere, fahre hoch auf die Gipfel und schau ins Tal, lasse die Seele baumeln. Früher fehlte mir das irgendwie gar nicht; heute kann ich das beginnende Frühjahr kaum erwarten, weil wir dann Richtung Süden fahren.

Da ich im Internet einfach zu wenig deutschsprachige Informationen bzw. Foren oder Gruppen fand, die sich speziell mit meiner Erkrankung befassen, habe ich vor drei Jahren kurzerhand eine Facebook-Gruppe ins Leben gerufen. Mit einer Handvoll Betroffenen, die ich in einer amerikanischen Gruppe fand, haben wir den Anfang gemacht. Heute sind wir fast 500 Mitglieder. Wir unterstützen uns gegenseitig, jeder kann fragen, Hilfe suchen. Wir sind keine Ärzte, aber alle wissen wir, was Non Hodgkin bedeutet. Und wenn jemand gerade im tiefen Loch steckt – wir holen ihn auch wieder da raus.

Es dauert, bis man die Angst vor der Krankheit verliert und auch heute noch bin ich vor jeder Untersuchung kribbelig. Aber sollte ich irgendwann einmal einen Rückfall haben – auch diesen werde ich durchstehen. Ich weiß ja nun, wie es geht.

© 2016 Selbsthilfegruppe für Leukämie- und Lymphompatienten Halle (Saale) / Sachsen-Anhalt

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