In den letzten Wochen bestand ein dramatischer Lieferengpass bei Melphalan, einem Standardmedikament für Patienten mit Multiplem Myelom, einem lymphatischen Knochenkrebs. Nach Angaben des Vertreibers ist Melphalan ab heute wieder lieferbar, das Grundproblem bleibt aber bestehen. Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind seit Jahren ein chronisches Problem. Die DGHO fordert eine gesetzliche Ermächtigung der zuständigen Behörden, bei Versorgungsmängeln Maßnahmen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung zu treffen.
In diesem Sommer hat über fünf Wochen ein Lieferengpass bei Melphalan bestanden, einem unverzichtbaren Arzneimittel in der Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom. Melphalan gehört seit Jahrzehnten zur Standardtherapie bei älteren Patienten. Bei jüngeren Patienten wird es in hoher Dosierung im Rahmen der Stammzelltransplantation eingesetzt und führt zu einer signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit. Heute teilte der Vertreiber dieses Arzneimittels mit, dass wieder Lieferfähigkeit besteht.
Das grundsätzliche Problem ist damit nicht gelöst.
Immer wieder sind in den letzten Jahren Krebsmedikamente nicht lieferbar gewesen. Betroffen sind fast alle Krebserkrankungen. Die Gründe für die Lieferengpässe sind vielfältig. Die meisten Probleme entstehen bei Substanzen, die seit Jahrzehnten zugelassen und inzwischen außerhalb des Patentschutzes sind. Weltweit gibt es für diese Arzneimittel oft nur noch wenige, manchmal nur einen einzigen Hersteller. Defizite in der Herstellung, Verzögerung von Chargenfreigaben oder Lücken in der Herstellungskette führen unmittelbar zu Engpässen und Ausfällen. Bei Melphalan lag die Ursache bei dem einzigen europäischen Hersteller in Italien.
Das Arzneimittelgesetz verlangt in §52b Abs.1: „Pharmazeutische Unternehmer und Betreiber von Arzneimittelgroßhandlungen … stellen eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung des Arzneimittels sicher, damit der Bedarf von Patienten im Geltungsbereich dieses Gesetzes gedeckt ist.“
Diese Vorschrift ist sinnvoll, es gibt jedoch keinerlei strafrechtliche oder ordnungsrechtliche Sanktionen bei Nicht-Befolgung. Bereits 2012 war in einem Gesetzentwurf eine Ermächtigung der zuständigen Behörden enthalten, Anordnungen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung zu treffen . Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsprozesses wurde dieser Passus jedoch gestrichen. Die DGHO hatte gegen die Streichung protestiert und mit einer umfangreichen Stellungnahme detaillierte Vorschläge für eine Regelung unterbreitet .
Bisher wurde lediglich ein Register für Lieferengpässe beim BfArM installiert. Dieses Register funktioniert, ist aber nicht vollständig. Die Eintragungen sind freiwillig. Der G-BA wurde mit der Erarbeitung einer sogenannten Substitutionsliste beauftragt. Kriterien für eine solche Liste unverzichtbarer Arzneimittel wurden von der DGHO erarbeitet. Sie sind Grundlage einer Zusammenstellung aus allen medizinischen Fachbereichen, die derzeit unter Leitung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft vorbereitet wird.
„Eine solche Liste unverzichtbarer Arzneimittel ist nur die Basis, jetzt muss die Politik handeln“, sagt Prof. Mathias Freund, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO. „Die aktuelle Krise bei der Versorgung mit Melphalan zeigt, dass die gesetzlichen Regelungen nicht ausreichend sind. Wir erneuern unsere Forderung nach einer gesetzlichen Ermächtigung der Behörden, bei Versorgungsdefiziten Maßnahmen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung zu treffen.“
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