HEIDELBERG. Das Muster an chemischen, "epigenetischen" Markierungen am Erbgut von Tumorzellen weicht von dem gesunder Zellen ab. Dies galt bislang als Charakteristikum von Krebs.
Bei der chronisch-lymphatischen B-Zell-Leukämie (CLL) entdeckten Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum nun: Das Markierungsmuster der Krebszellen reflektiert zum großen Teil eher das Reifestadium der Vorläuferzellen im Moment der Krebsentstehung, als dass es tatsächlich eine krebstypische Abweichung darstellt (Nature Genetics 2016, online 18. Januar).
Dieses Ergebnis kann die Entwicklung epigenetisch wirksamer Krebstherapien möglicherweise nachhaltig beeinflussen, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) mitteilt.
Der Epigenetiker Christoph Plass vom DKFZ und Kollegen aus Heidelberg, Essen, Ulm und den USA nahmen Blutproben von 268 CLL-Patienten, trennten die Blutzellen im Zellsorter anhand bestimmter B-Zell-Reifungsmarker und analysierten die Methylierungsmuster jedes einzelnen Reifestadiums.
Das erstaunliche Ergebnis war: Eine CLL kann aus so gut wie allen Reifestadien entstehen. Die massiven Methylierungsunterschiede, die bislang für krebstypisch erachtet wurden, reflektieren tatsächlich eher das charakteristische Muster der Entwicklungsstadien zum Zeitpunkt der Entartung.
Diese Methyl-Muster friert die Zelle quasi ein, danach kommen nur noch wenige Veränderungen hinzu, die wirklich krebstypisch sind. Das Forscherteam stellte der Mitteilung zufolge fest, dass Leukämien, die aus fortgeschrittenen Reifungsstadien hervorgegangen waren, deutlich besser auf die Therapie ansprachen.
Die Diskrepanzen zu vorangegangenen Untersuchungen erklären sich die Wissenschaftler damit, dass früher Leukämiezellen mit dem gesamten Pool an B-Zell-Reifestadien verglichen worden sind.
"Man hat alle Unterschiede auf den Krebs geschoben", wird Plass in der Mitteilung zitiert und räumt ein, dass im Licht des aktuellen Ergebnisses manche ältere Arbeit zum Krebs-Epigenom neu interpretiert werden müsse. (eb)
Quelle: