Patientenorganisationen spielen in Deutschland eine wichtige Rolle. Im höchsten gesundheitspolitischen Gremium, dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), haben ihre Verbände beispielsweise ein Mitberatungs- und Antragsrecht. Mitsprache bei der Forschung von Pharmaunternehmen hat die Europäische Patientenakademie (EUPATI) als Ziel. Dabei erhält die Initiative nun Unterstützung von der Bundestagspräsidentin
a.D. Prof. Rita Süssmuth.
Warum sollten sich Patienten aktiv bei der Erforschung neuer Therapien einbringen?
Prof. Rita Süssmuth: Es ist großartig, dass es jetzt überhaupt die Möglichkeit gibt, dass Patienten sich bei der Erforschung von Arzneimitteln aktiv einbringen können. Das ist vielen Menschen noch gar nicht bekannt. Endlich wird der Weg zu einem ernsthaften Dialog zwischen Forschern und Patienten geöffnet - nicht erst, wenn die Forschungsergebnisse vorliegen, sondern zu dem Zeitpunkt, was man eigentlich erforscht und wie man damit unerfüllte Patientenbedürfnisse am besten erfüllt. EUPATI macht das mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte auch hier in Deutschland. Das ist eine gute Sache, die ich von der Idee her unterstütze, weil es darum geht, für Patienten Therapien zu entwickeln, die ihnen wirklich helfen, statt an ihren Bedürfnissen vorbei zu forschen. Wenn sie mitreden, werden sich nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Prozesse in der Forschung verbessern.
Reichen die Möglichkeiten der Beteiligung aus? Wie haben sich diese im Laufe der Zeit entwickelt?
Prof. Süssmuth: Bisher sind den meisten Patienten die Möglichkeiten der Beteiligung an der Gestaltung von Forschung und Entwicklung ja gar nicht bekannt. In den letzten Jahrzehnten haben vor allem die Aktivisten im Bereich HIV und AIDS die Patientenbeteiligung revolutioniert. Sie haben nicht nur in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene und in Brüssel dafür gesorgt, dass die Stimme der Patienten bei der Forschungsplanung und Durchführung gehört wird. Jetzt geben diese erfahrenen Patientenvertreter in EUPATI ihr Wissen an die weiter, die auch mitgestalten wollen. Jeder kann sich informieren und weiterbilden, der möchte. Das ist aus meiner Sicht Ausdruck einer Bürgerbeteiligung in der Forschung: Patienten, die wollen, können mitmachen und ernsthaft Veränderung mitgestalten.
An welchen Stellschrauben sollte weiterhin gedreht und was sollte Ihrer Meinung nach weiter verbessert werden?
Prof. Süssmuth: Ich denke, es sollte noch bekannter gemacht werden, dass Patienten über EUPATI die Möglichkeit haben, sich in die Forschung einzubringen. Da sollten alle an einem Strang ziehen. In Europa sehe ich eine gute Zusammenarbeit von Behörden, Patientenvertretern und Forschern in akademischen Einrichtungen und Unternehmen. Dass sich das fortsetzt und diese Form der Patientenbeteiligung auch in Deutschland wächst, das wäre ein Fortschritt. Wir müssen in Deutschland Kooperationen dieser Art fördern. Es geht um einen kritischen Dialog über patientenzentrierte Forschung, den alle Beteiligten führen sollten mit dem gemeinsamen Ziel konstruktiver Ergebnisse. Ich wünsche den in EUPATI aktiven Patientenvertretern die Ausdauer und den Erfolg, Forschung an Universitäten und bei Unternehmen sowie im regulatorischen Prozess aktiv mitzugestalten. Und den Unternehmen und Behörden wünsche ich ebenfalls Ausdauer und die Offenheit, dieses Projekt freier Bürgerbeteiligung umzusetzen und mit Leben zu erfüllen.
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